>> Das Tirol Panorama | Innsbruck ______
Das Rundgemälde ist übersiedelt
Das Tirol Panorama | The Medium is the Message
„Das Rundgemälde und die hölzerne Rotunde am Rennweg waren bisher eine Einheit“ , sagt Werner Jud, Landeskonservator von Tirol. „In meiner Rolle als Denkmalpfleger bin ich mit der Trennung sehr unglücklich. Wenn man über diesen Umstand jedoch hinwegsieht, ist das neue Museum gewiss eine architektonisch spannende Hülle.“ Nach Marshall McLuhan’s Erkenntnis „The Medium is the Message“ war es wohl auch aus Medientheoretischer Sicht falsch den Inhalt vom Behaltnis, sprich dem Medium zu trennen.
Über die Architektur des neuen Tirol Panoramas von Stoll Wagner Architekten in Innsbruck haben bereits andere Medien ausführlich berichtet: Nextroom | Runde Sache (der Standard) oder die Neue Züricher Zeitung. Die WerkBank möchte ihrem Bildungsauftrag gerecht werden, tiefer schürfen und der, dem Halbgebildeten so banal scheinenden Frage nachzugehen was denn eigentlich ein „Panorama“ sei:
„Panorama“ – dieser Begriff, der einen „Überblick“ umschreibt, ist dermaßen in den Alltagsgebrauch der Sprache eingegangen, so dass fälschlich angenommen wird, es handle sich um ein Wort mit alten Wurzeln, „aus dem Griechischen“.
Stephan Oettermann hat in seinem Werk „Das Panorama – Die Geschichte eines Massenmediums“ dargelegt, dass es sich vielmehr um ein gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstandenes Kunstwort handelt, das seinerzeit auf eine technische Erfindung angewandt wurde, wie etwa die später entwickelten Begriffe „Telephon“, „Automobil“ oder die „Kinematographie“. Man bediente sich der griechischen Sprache: aus pan (= alles) und hórama (= sehen) entstand so der neue Begriff Panorama.
Der irische Maler Robert Barker hatte sich 1787 ein Verfahren patentieren lassen, mit dem er eine 360°- Darstellung einer Landschaft oder einer Stadtansicht herstellen und präsentieren konnte. Am 19. Juni 1787 meldete er in Edinburgh ein Patent an, das als „an entire view of any country or situation, as it appears to an observer turning quite round“ umschrieben wurde. Bemerkenswert daran ist, dass hier erstmals ein Kunstobjekt wie eine technische Erfindung patentiert wurde. Ursprünglich ließ er es unter dem Namen „la nature à coup d’oeil“ (Natur auf einen Blick) eintragen, änderte jedoch (unter anderem aus markttechnischen Überlegungen) später den Namen auf „Panorama“.
„The Medium is the Message“ Marshall McLuhan
Er griff dabei auf zahlreiche Vorbilder z.B. aus der Theatermalerei zurück, war aber der erste, der die Idee der perfekten Illusion konsequent weiterführte. In seiner Patentschrift benutzte er noch nicht die Bezeichnung, aber schon bald, nachdem er 1788 in Edinburgh das erste, ca. 24 m im Umfang messende Rundgemälde der schottischen Hauptstadt ausgestellt hatte, muß Panorama als Bezeichnung für das Barker´sche Rundgemälde in Gebrauch gekommen sein. Sein zweites, mit 137,5 qm2 Fläche erheblich größeres Gemälde, wegen der Dimensionen auf einen Halbkreis beschränkt, war 1791 unter dem eingängigen Namen „Panorama“ in London zu sehen. Dieses Panorama von London wurde ein voller Erfolg und der Anfang einer regelrechten „Panoramania“ in London, die auch den Rest Europas erfassen sollte. Schon 1799 kam das erste englische Panorama nach Deutschland und wurde dort in einer hölzernen „Rotunde“ (Rundbau zur Aufstellung von Panoramen) in verschiedenen Großstädten gezeigt, bis es durch den Transport arg lädiert, nur noch Kritik hervorrief.
In einem Panorama wurde die Illusion hervorgerufen, sich inmitten einer völlig neuen Umgebung zu befinden. Dazu mußte sich das Publikum durch einen Gang in die Mitte des Rundgemäldes begeben, alle Außenreize wurden ausgeschlossen. Zur Erhöhung des Effektes wurden die Panoramen im Laufe der Zeit immer größer, und der Bereich zwischen Zuschauertribüne und Gemälde wurde duch Kulissen und reale Objekte derart ausgestaltet, dass der Übergang von realen Objekten zum Gemälde kaum zu erkennen war. Dieser Bereich wurde „faux terrain“ genannt.
Der Blick des Publikums konnte frei umherschweifen, war aber gefangen in der Illusion. Ein Korrespondent des „Journal London und Paris“ schrieb 1798 voller Begeisterung:“ Bei diesem Panorama wird man an sich selbst irre; je länger das Auge betrachtet, desto bezaubernder wird die Täuschung.“
Die zentralperspektivische Konstruktion geht von einem starren Auge aus und konstruiert das Bild auf dieses hin, indem es die Fluchtlinien im Augenpunkt versammelt. Für die Betrachtung eines solchen Bildes bedeutet das, dass jeweils nur ein Betrachter das Bild vom gegenüberliegenden Standpunkt aus anschauen kann. Zentralperspektivisch konstruierte Bilder sind exklusive Bilder insofern, als dass sie nur eine Person zur Betrachtung zulassen.
Beim Panorama hingegen fallen alle Betrachterstandpunkte gegenüber dem Horizont in eins; durch die Kreisform ergeben sich unendlich viele Brennpunkte der Betrachtung und somit (theoretisch) unendlich viele Betrachter, die das Bild unverzerrt anschauen können.
Beim Panorama ging man weg von mythologischen und allegorischen Darstellungen, die nur dem gebildeten Betrachter verständlich waren, hin zu realistischen Landschaftsdarstellungen. Weg von der Darstellung religiös-historischer Ereignisse, die die biblische Geschichte illustrierten, hin zur Darstellung aktuell realpolitischer Ereignisse, die den Zeitungsleser interessierten.Die erste Phase der Panoramen beschäftigte sich primär mit Landschaftsbilder von fremden und bekannten Orten, wärend eine zweite Phase historische Ereignisse in den Mittelpunkt stellte, erst waren Schlachtenbilder junger Vergangenheit aktuell, später dann ältere bis antike Schlachten.
Das Panorama wurde als erstes Massenmedium im strengeren Sinn bezeichnet. Niemals fragte man, wer das Bild gemalt habe, oder ob die Bilder überhaupt von jemandem gemalt worden waren. Das Publikum bestand überwiegend aus wenig gebildeten Leuten, die kaum andere Gelegenheiten hatten, die Qualität von originalen Ölgemälden zu sehen oder einzuschätzen. Das Panorama sollte einfach gefallen, amüsieren, überraschen, erstaunen, bilden, unterhalten und schließlich auch noch für seinen Besitzer Gewinn abwerfen. Die Illusion der verblüffenden Realität war vorranging, „hohe“ Kunst eines bedeutenden Künstlers hätte nur gestört.
Ein Leporello vom Riesenrundgemälde als Souvenir (Bill Ramsey):
… und was ist nun ein Leporello? Lepo, Libro = Buch … ello, Verkleinerungsform – kleines Buch = Leporello = Büchlein? Falsch! Nach einer unbestätigten Überlieferung stammt der Begriff „Leporello“ von Don Giovanni’s Diener, der im 17 Jahrhundert die Portraits und Namen der Geliebten seines Herrn verwaltete und nicht mit einer wie sonst üblichen Papierrolle arbeitete, sondern mit einer neuartig gefalteten Liste. Dieser Diener hieß Leporello. Leporello führte die Liste mit den Eroberungen seines Meisters. Weil die 2.065 Einträge eine reichlich lange Liste ergaben, faltete er das Papier in der Form einer Ziehharmonika. So gelang es ihm, die Liste für seinen Herrn handlicher zu machen. Da früher diese Form der Liebhaberei offenbar verbreiteter war als die Erfindung von Methoden zur Papierverformung blieb der Name des Dieners in der Geschichte hängen. Was lernen wir daraus? Wer Papier zu falten weiß hinterlässt nicht minder Eindruck als der großartigste Liebhaber…