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Supergreen | Christoph Ingenhoven
Capitol Kino Bozen | 09.06.2011 ab 18:30
>> Christoph Ingenhoven, der Planer des Bahnhofprojektes „Stuttgart 21“ sowie Jurypräsident des Wettbewerbs „ARBO-Bahnhofs-Areal Bozen“ kommt heute, Donnerstag Abend, 9. Juni 2011 auf Einladung der Architekturstiftung Südtirol zu einem Werkstattgespräch nach Bozen. In einer abschließenden Diskussionsrunde wird er auch zur Bozner Situation Stellung nehmen.
Supergreen?! „Es geht darum, eine übergeordnete Ebene zu definieren, oberhalb dessen, was man bisher unter den Begriffen Green Building oder Green Technologies verstanden hat. Natürlich wäre „Nachhaltigkeit“ nach wie vor eine gute, umfassende Terminologie, nur wird sie inflationär gebraucht. Was sage ich, wenn mich jemand fragt, was das Besondere an unserer Architektur ist? Dass wir nachhaltige Architektur machen? Man könnte antworten, das sei ja wohl selbstverständlich. Also versuche ich schon zu erklären, dass wir bei Green Technologies und ähnlichem relativ weit vorne sind. Aber das allein trifft es nicht. Aus diesen Überlegungen ist der Begriff „Supergreen“ entstanden.
Nehmen Sie etwa ein bestimmtes Grundstück irgendwo in der Innenstadt: Man kann natürlich überlegen, was man im Einzelnen tun kann, damit es ein besonders „gutes“ Projekt wird. Man kann sich aber auch fragen, ob es richtig ist, überhaupt an dieser Stelle zu bauen. Diese Frage können die Zertifizierungssysteme gar nicht berücksichtigen. Wir haben aber schon zu einem gewissen Grade den Anspruch, uns für Projekte zu engagieren, bei denen uns das in einem größeren Maßstab überhaupt sinnvoll erscheint. Von dieser Frage ausgehend gelangt man über viele Schritte schließlich zu detaillierten technischen Lösungen. Das ist ein Grund für uns, „supergreen“ zu sein, ein Begriff, den wir uns übrigens haben schützen lassen.“
Zur Stadt. „Die Stadt braucht, glaube ich, keine Redefinition; sie braucht vielleicht eine Neuerforschung. Wir müssen lernen, die Städte in ihrer Funktionsweise zu verstehen, und zwar nicht als Ergebnis menschlicher Vorgaben und Planungen – das wäre sicher auch einmal interessant zu sehen, was konkrete Planung wirklich bewirkt –, sondern als sich selbst organisierende, durch das Verhältnis von menschlichen, finanziellen, wirtschaftlichen, politischen, funktionalen Kräften entstehende Gebilde. Es wäre interessant herauszufinden, wie ich die Regeln in diesem Spiel verändern muss, um die noch etwas bessere Stadt zu erzeugen. Das wäre eine Metaebene von Stadtplanung. Ich vermisse allerdings schon die erste Ebene. Es gibt nur wenige Städte in Deutschland, die so etwas wie einen politischen und stadtplanerischen Willensbildungsprozess betreiben. Nehmen wir Berlin; das ist natürlich ein schwieriges Beispiel, aber Hans Stimmann hat zumindest ein Planwerk und eine Position formuliert. Selbst diese einfachere Form der Stadtplanung ist in Deutschland nur bedingt vorhanden. Die komplexere Form wäre eine Stadtplanung, bei der durch bestimmte politische Eingriffe Veränderungen passieren. Ich glaube, dass man auf einer Metaebene viel stärker agieren müsste, und wenn man eine „grüne“ Stadt will, gilt das umso mehr. Man kann 30 Prozent Solarenergie oder 80 Prozent regenerative Energie vorgeben oder anderes mehr. Stattdessen arbeitet die Stadtplanung eigentlich nur auf der Miniaturebene: Da müssen Sprossenfenster eingebaut werden, hier muss die Traufhöhe 22 Meter betragen. Das lässt sich in jedem Bebauungsplan festlegen.
Was ich meine, ist politisch schwieriger durchzusetzen. Wir haben zum Beispiel beim Wettbewerb für den Alexanderplatz ein System von Belohnung und Bestrafung vorgeschlagen. Wir haben gesagt: Grundsätzlich ist Höhe kein Problem, aber je höher jemand über eine bestimmte Grenze baut, desto mehr öffentliche Nutzungen muss er im Erdgeschoss anbieten. Es gab ein Gutachten, und es wurde festgestellt, dass sich so etwas juristisch nicht einwandfrei festlegen lässt. Das ist im Baugesetzbuch nicht vorgesehen. Ich darf nicht begünstigen oder bestrafen, ich darf nur eindeutige Höhen festsetzen. Die Metaebene ist also schwer besetzbar, denn sie würde ein solches System voraussetzen.“