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>> Mario Botta | Post-Antike Tendenza __

02/12/2010

Mario Botta | Architekturen 1960 – 2010

Werkschau | Mart Rovereto noch bis zum 23. Januar 2011

Kuratiert von Studio Mario Botta

„Architektur ist Gewalt gegen die Natur“ lautet Mario Bottas Grundsatz, „Ich will mit der Geometrie den Zufall und die Willkür bezwingen.“ Sein Lieblingswort „Monumentalität“ versteht er nicht im transzendentalen oder gar totalitären Sinne, sondern ganz humanistisch: „Monumentalität ist für mich die Bestätigung des Menschenwerks.“

Botta, der sich nicht postmodern, sondern „post-antik“ nennt, ist weltberühmt für seine Villen im Tessin. Rund um Lugano hat er seit den siebziger Jahren, als die internationale Postmoderne noch mit bunten Phantasiezeichnungen experimentierte, einprägsame Höhlenbauten errichtet: Wohnzylinder und Büroquader mit maskenhaften Fassadenschlitzen, Erkernasen und Augenlöchern. Sie besitzen die Massivität und Wehrhaftigkeit der romanischen Burgen im Tessin. In der katastrophal zersiedelten Luganer Seenlandschaft wirken Bottas totemistische Skulpturen wie gebaute Urschreie.

Bottas Primitivismus löste in der neueren Architektur eine ähnliche Umwälzung aus wie einst die afrikanische Plastik in der Kunstmoderne. Heute ist sein Werk mit über tausend Publikationen das meistgedruckte OEuvre der neueren Baugeschichte. Wer ihm vorwirft, daß er sein Leben lang dieselben Formen baue, dem hält Botta einen Lieblingsspruch seines Landsmannes Giacometti entgegen. Auf den Wiederholungsvorwurf hatte der große Schweizer Bildhauer einmal klug geantwortet: „Was für ein Narr ich bin. Ich mache immer wieder denselben Kopf, ohne daß es mir je glückt.“

1969 eröffnete Mario Botta sein eigenes Architekturbüro in Lugano. In seiner weiteren Laufbahn hatte er Kontakt mit den Architektenlegenden Carlo Scarpa, Le Corbusier, Louis I. Kahn und Luigi Snozzi, deren Einfluss in vielen seiner Bauten sichtbar wird. Botta gilt als wichtigster Vertreter der in den 1970er Jahren bekannt gewordenen „Tendenza“, der Tessiner Schule. und erklärter Bewunderer der mittelalzerlichen und Romanischen Architektur.

Mario Botta arbeitet oft mit massiven Baumaterialien, wie Naturstein, Backstein oder Beton. Der rationalistische Stil Bottas setzt sich aus einer streng geometrischen, schlichten Formensprache und Bestandteilen wie Licht und Schatten zusammen. Diese Kombination lässt die oft sehr massiven Baukörper leicht und elegant erscheinen. Botta verwendet beim Entwerfen seiner unverkennbaren Werke immer dieselben architektonischen Elemente aus einem unerschöpflich grossen Formenspektrum.

„Eine Kirche ist ein großes Haus für Menschen mit einem Stockwerk“, sagt der Schweizer Simplicissimus, der so einfach denkt, wie er baut – Bottas Welterfolg rührt von der starken Bildwirkung seiner Gebäude her. Aber die Reduktion auf den optischen Effekt läßt vergessen, daß sich der Schweizer allmählich zum bedeutendsten Sakralarchitekten des ausgehenden 20. Jahrhunderts entwickelte.

Die noch bis zum 23. Januar 2011 gezeigte Werkschau im MART in Rovereto, dokumentiert die wichtigsten Bauwerke, die Mario Botta im Laufe seiner langen und erfolgreichen Karriere errichtet hat, von den ersten Einfamilienhäusern, die ein eigenständiger Ausdruck der Tessiner Schule sind, bis zu den großen öffentlichen Gebäuden, Bibliotheken, Theater, Museen, Kirchen und Synagogen, die er in aller Welt baute.
In der vom Studio Mario Botta selbst kuratierten Ausstellung sind über 90 realisierte Entwürfe zu sehen, die mit Skizzen und Originalmodellen, Fotografien und unveröffentlichten Unterlagen dokumentiert werden.

Die Ausstellung ist in 12 Bereiche unterteilt. Der erste nennt sich „Begegnungen“ und bietet mit Anklängen und Erinnerungen an Künstler und Kunstwerke, Persönlichkeiten aus Kultur und Musik, die den Menschen und den Architekten tief geprägt haben, eine Art Einstimmung.


Die anderen Bereiche Wohnen, Arbeiten, Schulen, Bibliotheken und Freizeit, „urbane Nähte“, Museen, Theater, religiöse Stätten, Innenräume – illustrieren den persönlichen Weg, auf dem Mario Botta sich mit allen Gebäudearten auseinandergesetzt hat. Spannend sind die Dokumentationen der Entwürfe für das Museum Tinguely in Basel, das MoMA in San Francisco, das Centre Dürrenmatt in Neuchâtel, die Renovierung der Scala in Mailand und natürlich auch das Mart Rovereto selbst:

„Auch ein Museum ist ein spiritueller Ort, eine profane Kathedrale.“

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