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>> Höhenrausch und Schwindelgefühl ____

09/08/2010

Timmelsjoch Hochalpenstrasse | Passmuseum

Erlebnisstraße „Die Timmelsjoch Erfahrung“

Guck mal… | Aussichtsplattformen für Touristen
Der Granat ist Teil des Erlebnisstraßenprojekts „Die Timmelsjoch Erfahrung“, das derzeit zwischen Moos im Passeier und Hochgurgl entsteht. Gemeinsam mit Architekt Werner Tscholl haben die Gemeinde Moos im Passeier und die Timmelsjoch Hochalpenstraße AG das Konzept zur Musealisierung der Straße entwickelt. „Wir wollen den Passreisenden einen Mehrwert bieten und damit auch nachhaltige wirtschaftliche Impulse für die gesamte Region schaffen“, erklärt die Projektinitiatorin Dr. Maria Gufler.

Timmelsjoch Hochalpenstrasse | Granat

„Erst kam die Fresswelle, dann die Konsumwelle und dann der Luxus. Und nun frage ich mich: was kann ich jetzt noch mit mir machen“, schrieb 1998 der Zukunftsforscher und Tourismusberater H. Opaschowski. Nicht Bedürfnisse stillen sondern Erlebnisse schaffen sei „in“, denn der moderne Mensch handelt zunehmend erlebnisorientiert. Viele Untersuchungen belegen, daß der Erlebniswert immer stärker in den Mittelpunkt gestellt wird. Doch was sind eigentlich Erlebnisse?

Timmelsjoch Hochalpenstrasse | Architekt Werner Tscholl

Erlebnisse setzten Ereignisse voraus, die aber erst durch Erkenntnisse zur persönlichen Erfahrung werden. Daraus ergeben sich die „Vier E der Erlebnisgesellschaft“: Ereignis > Erlebnis > Erkenntnis > Erfahrung

… mach’ Die Timmelsjoch Erfahrung!

Five Fingers | Aussichtsplattform Dachstein

Das bedeutet, daß Erlebnisse noch nicht mit Erfahrungen gleichzusetzen sind. Erfahrungen erlangt man durch eine bewusste Reflexion über die Erlebnisse. Erlebnisse und Erfahrungen sind subjekt-spezifisch. Hingegen können Ereignisse und Erkenntnisse aktiv inszeniert werden, damit Erlebnisse und in weiterer Folge Erfahrungen entstehen können. Aktoren im Tourismus haben somit zwei Einwirkungsbereiche: Sie können Ereignisse schaffen, die wünschbare Erlebnisse begünstigen und sie können mithelfen, Erlebnisse zu reflektieren, z.B. durch Musealisierung, , damit daraus Erfahrungen werden.

>> Erlebnisstraße „Die Timmelsjoch Erfahrung“

Doch nicht nur die Tourismus- sondern auch die Wein– und Autoindustrie hat seit ca. einem Jahrzehnt das Konzept: spektakuläre Architektur +  museale Selbstinszenierung als erfolgreiches Kommunikationsmittel zur Markenpositionierung erkannt und umgesetzt: Porschemuseum, VW-Autostadt, BMW-Welt, Mercedes Benz Museum.

Gipfelplattform Top of Tyrol |astearchitecture

„Ausgehend von der vorhandenen Topographie entsteht durch Inszenierung und Überzeichnung eine aus Landschaft geformte Architekturattraktion, eine künstliche Landschaft, die zwischen Dynamik und Statik vermittelt“.  Meist sind es gewaltige Auskragung die das Gipfelerlebnis thematisieren und die „ortstypische“ Topographie dramatisch inszenieren. Mit überzogener Geste zum statischen Event überhöht, wird eine, wie von Scheuklappen vorgegene Perspektive schockgefrohren: Die unmissverständliche Aufforderung  – Hier bitte Fotografieren!

Axis Architects’ Salt Flats Viewing Pavilion

Zu den kulturellen Auswirkungen des Tourismus gehört auch die „Möblierung“ von Landschaften und die touristische Erschließung mit Wegen, Unterkünften und „Aussichten“. Die „Inszenierung“ künstlicher Tourismus-Umwelten geht dabei bruchlos in die kulturelle Gestaltung von Umwelt über. Es ist für den Gesamtkomplex des Tourismus unerheblich, ob das, was er produziert, als Fiktion, als Realfiktion oder was auch immer empfunden wird, und es ist auch unerheblich, ob es als vorgetäuschte Authentizität kritisierbar ist.

Aurland lookout, Norwegen | todd saunders and tommie wilhelmsen

Maßgeblich ist vielmehr, daß neue materielle Wirklichkeiten als Bestandteil der kulturellen Umwelt entstehen. Wie alle anderen Bestandteile der Lebenstätigkeit und des Stoffwechsels der Menschen neigt der Tourismus dazu, Welt zu verändern. Die fiktiven und synthetischen Urlaubswelten sind Produkte der arbeitsteiligen Vergesellschaftung, sie sind integrale Bestandteile der Lebenswelt und der Veränderung der umgebenden Welt. Die Fiktion tritt nicht ins Leben, sie ist Leben, und sie gehört zur materiellen Kultur.

il binocolo, Meran| Matteo Thun

Bei der touristischen Inszenierung haben wir es nicht nur mit der Kolonialisierung der Lebenswelten, sondem auch mit derjenigen der Erlebnisformen zu tun. Das Individuum wird durch Marketing und Prioritätensetzungen so konditioniert, daß es Teil eines touristischen „homogenen Konsumentenverbandes“ wird, der an standardisierten Leistungen interessiert ist.

Gulliver Fernrohr | Erlebniswelt Karwendel

Das beeinflußt die Chancen, im Tourismus aktiv Welterfahrung, Weltaneignung zu erleben. Die Inszenierung verstellt den Weg zur Aneignung. Nicht mehr das Land, die Landschaft, die Stadt sind die Ziele, sondern das Bild, das von ihnen vorfabriziert wurde. Reduziert wird damit die Chance, daß sich der Besucher ein eigenes Bild durch Erfahrung und Aneignung entwickeln kann. Die Chance zum bildungswirksamen und realitätshaltigen Erleben wird zerstört durch das Angebot von vorgefertigten Kunstwelten.

Grand Canyon Skywalk

Der „Granat“, die erste Station der „Timmelsjoch Erfahrung“ auf Südtiroler Seite, ist fertig. Mit der Aussichtsplattform auf dem Felshang über Moos hat das Hinterpasseier ein neues Wahrzeichen bekommen.

Form und Name des zweiteiligen Infopoints sind den geologischen Gesteinsformationen des Passeiers nachempfunden. Während die beleuchtete Aussichtsplattform einen spektakulären Ausblick (Erlebnis) auf Moos und das hintere Passeiertal eröffnet, dient der begehbare Grant daneben als Schauraum (Musealisierung). Im Inneren erfährt der Besucher allerlei Interessantes – beispielsweise Näheres über den historischen Kummersee, die höchsten Wasserfälle Südtirols oder Kurioses wie das kinderreichste Dorf Europas.

>> Tipp: „Inszenierungsmasterplan für den Kanton Graubünden“ (pdf) schon der Titel dieser Studie spricht für sich.

>> Angebotsinszenierung in Tourismusdestinationen [pdf]

National Tourist Route Trollstigen | Norwegen

3 Kommentare leave one →
  1. 16/09/2010 12:09

    Super Auswahl! Da tritt die Natur ja ganz schön in den Hintergrund :D Aber die alpspiX Plattform in Garmisch-Partenkirchen fehlt mir noch ;)

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