>> Freie Form ___________________
BMW-Welt Trias Brücke, München by Coop Himmelb(l)au
„Expertise in Freeform Stainless Steel“
Vernissage und Vortrag | 30.10. ab 18:00 | Frener & Reifer | Brixen
>> Paul Kath, Coop Himmelb(l)au | Michael Reifer „Grundsatzforschung Free Form“ | Klaus Fenners und Carsten Haedge „Werkbericht BMW-Welt, Trias-Brücke“
Die BMW-Markenwelt in München zählt zu den Highlights einer neuen Generation von Kommunikationsbauten für das 21. Jahrhundert. Aus diesem Multifunktionskomplex fließt, stählern elegant gespannt in sanfter Biegung und Torsion die Trias-Brücke – die eine Fülle übergreifender Koordinationsleistungen und projektgenerierter Innovationen verhüllt. Die Werkschau in den Räumlichkeiten von FRENER & REIFER Metallbau vermittelt Details über Planung und Ausführung der Fußgängerbrücke.
FRENER & REIFER Metallbau GmbH, Brixen entwickelte und realisierte die Trias Brücke der BMW Welt in München mit seiner von Coop Himmelb(l)au entworfenen 3-dimensional gekrümmten Baugeometrie mit ausgeprägter Torsion in einem äußerst kurzer Realisierungszeitraum. Als Generalunternehmer war Frener & Reifer für Planung und Realisierung der ca. 100m langen Fußgängerbrücke verantwortlich: vom Rohbau, Stahlbau, Edelstahlverkleidungen, Elektro- und Lichttechnik, bis zum Bodenbelag.
Coop Himmelblau aus Wien, das waren immer die Aufrührer unter den Architekten. Schon in den Sechzigern wollte das Büro die Bauwelt ins Taumeln bringen und die Verhältnisse natürlich ebenfalls. »Architektur, die blutet, die sticht, die fetzt und unter Dehnung reißt«, das war ihr revolutionärer Traum. »Architektur muss brennen.«
Bislang war BMW solch lodernder Expressionismus eher fremd. Man baute auf gediegene Rasanz, auf eine sportliche Form von Verlässlichkeit, auf elegante Autos für elegante Menschen, die längst angekommen sind, auch wenn sie gerade mit 220 durch die Lande rasen.
Warum also? Warum investiert ein Konzern rund 500 Millionen Euro in Architektur und vergibt den Auftrag an ein Büro, das sich auf eindrückliche Wortflammen bestens versteht, doch bislang vor allem halb missratene Häuser abgeliefert hat? Selbst die nicht missratenen erzeugen in manchen Menschen ein mittelschweres Unwohlsein: räudiger Beton, stürzende Wände, Räume ohne Halt.
Noch nicht einmal der eigentliche Zweck des neuen Baus ist leicht zu entschlüsseln. Ein Auslieferungszentrum, wie die Manager sagen? Eine Erlebniswelt, wie die Werbeleute glauben? Zumindest wirkt das Gebäude so gedrungen und gestaucht, als würde es unter der schweren Last ächzen, möglichst viel Aufsehen, möglichst viel Bedeutung erzeugen zu müssen. Es soll eine Art gebautes Logo sein, so viel steht fest. Es soll aller Welt vor Augen führen, wie wagemutig man bei BMW denkt. So wagemutig, dass man selbst vor einer recht ungelenken Großarchitektur nicht zurückschreckt.
Doch man soll sich nicht täuschen lassen. Das Gebäude hat durchaus große Stärken, nur liegen sie verborgen, im Inneren. Dort gerät der Besucher, ob er will oder nicht, in einen ungeahnten Sog, er spürt den Rausch der Architekten, ihre Lust an überbordenden Raumfantasien. Die Architektur so »leicht und veränderbar wie Wolken zu machen«, das war lange das utopische Ziel von Coop Himmelblau – nun scheint sich etwas von ihrer Utopie zu erfüllen. Auch wenn es kein leichter, sondern ein stürmischer Bau geworden ist, keine sanfte Frühlingswolke, sondern eine dräuende Gewitterfront.
Nichts soll hier zweckhaft oder gar funktional sein
Das Auge des Architektursturms ist ein spindelförmiger Pavillon, der wie ein Ableger außerhalb der großen Glashalle liegt. Hier strudelt und kreist der Raum so heftig, als sollte gleich ein stahlbewehrter Tornado über München hinwegfegen. Und tatsächlich scheint ihm jene Wolkendecke zu entweichen, die sich als Dach über die gesamte Glashalle erstreckt. Der wirbelnde Pavillon ist das Kraftzentrum, aus dem sich die Architektur der BMW-Welt in einer großen, gleitenden Bewegung selbst zu erschaffen scheint.
Um diese Geste der Selbsterschaffung geht es den Architekten: Sie wollen nicht der Tradition gehorchen, nicht dem üblichen Bild eines Hauses, in dem alles gerade und geordnet sein soll. Schon gar nicht wollen sie sich dem Diktat des Zweckhaften und Funktionalen unterwerfen. Ihre Freiheit ist die der Kunst – und ebendieser Freiheit verdanken sie wohl den Auftrag. Denn Freiheit will auch BMW verheißen.
Natürlich, Autos müssen funktionieren, aber Funktion allein, die reine Zweckdienlichkeit, wäre der Tod alles Überflüssigen. Und erst die Überflüssigkeit – eine PS-Zahl, die nie ausgefahren wird, oder eine Geländegängigkeit, die es auf deutschen Straßen nicht braucht – macht aus einem normalen Auto ein BMW-Auto. Es gehorcht der Rationalität und lebt doch vom Irrationalen, von der Himmelblau-Freiheit, etwas zu tun, einfach weil man es tun kann – unbegründet, unhinterfragbar.
Dieses Unbegründbare bestimmt denn auch die große Haupthalle des neuen Gebäudes, in der sich Treppen, Brücken, Rampen in wilder Komplexität überlagern. Über allem wogt und wölbt sich fast stützenlos die stahlgraue Decke und bringt damit den Raum in eine Bewegung, die den Besucher verführt, sich selbst zu bewegen und das Haus in seiner ganzen Zwittrigkeit zu erkunden. Obwohl hier natürlich viele hochpolierte Autos zu besichtigen sind, kreist die BMW-Welt doch keineswegs nur um BMW. Sie will über sich selbst hinausweisen, will ein Ort der Vielfalt und Abwechselung sein, offen für alle und alles.
Am Ende ist natürlich auch das nur eine Form von Vermarktungspropaganda. Im Zeichen des Autos, so will uns BMW suggerieren, wird das Unvereinbare vereinbar. Galt lange die Motorisierung als Feind des städtischen Lebens und das Automobil als Inbegriff der Individualisierung, so scheint nun das Gegenteil zu stimmen. Denn hier, in dieser zeichenhaften Inszenierung, zerstört das Auto nicht, hier stiftet es Urbanität und Zusammenhalt. Der Konzern wird zum Hüter des Gemeinwesens.
Dazu gehört logischerweise auch, dass man der Avantgarde ihren Auftritt gönnt. Sie darf ihre architektonischen Stahlgewitter aufziehen lassen, darf Widerständigkeit und Rebellion demonstrieren. Denn erst damit ist ja bewiesen, dass auch ihre Träume vom anderen Leben längst eingemeindet sind, gut behütet unter dem großen Dach von BMW. Alles ist besänftigt, ist angekommen. Und so rollen die Innenarchitekten mitten im Wirbelsturm der Architektur ihre Flokatiteppiche aus und stellen grüne Bambusbündel vor die weißen Lounge-Sofalandschaften. Die Welt ist hart – und urgemütlich.
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